2. europäischer Workshop für Bronchiolitis obliterans in 2017

Bronchiolitis obliterans bei Kindern

Diagnostisches Prozedere und therapeutische Möglichkeiten

Im Februar 2017 hat sich in Geisenheim am Rhein eine internationale Arbeitsgemeinschaft von Experten mit einem speziellen Interesse in Bronchiolitis obliterans bestehend aus pädiatrischen Pneumologen, Radiologen, Pathologen, Psychologen, Physiotherapeuten und Wissenschaftlern versammelt, um über aktuelle diagnostische Prozedere und therapeutische Möglichkeiten zu diskutieren und neue gemeinsame Forschungstätigkeiten zu evaluieren und aufzubauen.

Die ist ein zusammenfassender Bericht des Workshops, um Sie über den aktuellen wissenschaftlichen Stand zu informieren.

Einleitung

Bronchiolitis obliterans (BO) ist definiert als eine seltene, chronische Form einer obstruktiven Lungenerkrankung, die mit einer Verletzung des bronchialen Epithels beginnt, nachfolgend in eine Entzündungsreaktion mit fortschreitender Vernarbung der kleinen Atemwege übergeht und in einer ungleichmäßigen Verengung dieser kleinen Atemwege mündet.

Allerdings umfasst der Begriff der BO eine ganze Gruppe von Erkrankungen, denen unterschiedliche Ursachen, Verläufe und Besonderheiten zugrunde liegen.

Post-infektiöse BO:

Es ist anerkannt, dass bestimmte Atemwegskeime wie z.B. Adenoviren und Mykoplasmen in einem kleinen Prozentsatz von infizierten Kindern eine schwere Entzündungsreaktion auslösen können, die zu einer fortschreitenden, unumkehrbaren Atemwegsobstruktion führen kann. Diese Ursache für eine BO ist als post-infektiöse BO (PiBO) bekannt.

Bronchiolitis obliterans Syndrom:

Eine weitere Ursache einer BO ist das Bronchiolitis obliterans Syndrom (BOS), welches sich als Folge einer Abstoßungsreaktion nach einer Knochenmarks- oder Lungentransplantation entwickeln kann. Da die Patientenzahlen im Bereich der Knochenmarkstransplantationen in den letzten Jahren weiter zugenommen haben, konnte weiteres Wissen und Erfahrungen im Bereich des BOS gesammelt und der Krankheitsverlauf besser verstanden werden.

Auch wenn die zugrunde liegenden Ursachen dieser zwei Erkrankungsbilder verschieden sind und die genauen zell- und molekularbiologischen Signalwege der PiBO noch nicht ausreichend aufgeklärt sind, so findet sich doch ein gemeinsames klinisches Bild und ein gemeinsamer Erkrankungsverlauf. Die initial auslösende Ursache mag verschieden sein, aber die lokale Entzündungsreaktion und vorher vorhandene Faktoren einschließlich genetischer Faktoren und dem Ernährungszustand beeinflussen den gesamten Krankheitsprozess, der schlussendlich zu der gemeinsamen Endstrecke einer irreparablen Veränderung der kleinen Atemwege führt.

Der Reparaturprozess zur Wiederherstellung des verletzten Gewebes in seine ursprüngliche Beschaffenheit ist bei all den verschiedenen Ursachen empfindlich verändert, so dass die Auflösung der anhaltenden Entzündung scheitert. Dieser Umstand spielt eine wichtige Rolle im Krankheitsprozess der BO. Hinzu kommt ein Zustrom von Immunzellen, weiteren Entzündungszellen und die Wucherung von Granulationsgewebe in den Atemwegen, welches somit zu einer bronchialen Verengung und zu epithelialen Veränderungen führt.

Definition

Bisher ist keine Klassifikation oder Begriffseinstufung weithin anerkannt.

Der Begriff BO beschreibt vielmehr einen gemeinsamen Prozess verschiedener Erkrankungen, der durch eine fortschreitende und anhaltende Verengung der kleinen Atemwege funktionell und radiologisch nachweisbar ist und durch eine bronchienerweiternde Therapie nicht umkehrbar ist.

Epidemiologie

BO ist eine seltene Erkrankung. Da es noch keine systematische Erfassung einzelner Fälle gibt und somit keine nationale oder internationale Datenbank zur Verfügung steht, ist die eigentliche Häufigkeit schwer einschätzbar. Erschwerend kommt hinzu, dass es keine allgemein gültige Begriffseinstufung gibt, so dass milde Fälle nicht richtig diagnostiziert werden. Es ist bekannt, dass die BO unter bestimmten Bevölkerungsgruppen wie z.B. Argentinier und Ureinwohner Amerikas und Koreas häufiger diagnostiziert wird. Dies deutet darauf hin, dass genetische Faktoren eine ausschlaggebende Rolle in der Initiierung und Aufrechterhaltung des Prozesses spielen.

Ätiologie

Wie bereits erwähnt, gibt es verschiedenste Ursachen, die durch eine schwere Verletzung der kleinen Atemwege zu einer BO führen können. Dazu gehören bestimmte Keime wie z.B. Adenoviren, Influenza, Masern, RSV und Mykoplasmen oder eine Abstoßungsreaktion nach einer Lungen-, Herz oder Knochenmarkstransplantation. Darüber hinaus kann eine BO auch im Rahmen einer Rauchvergiftung durch toxische Gase, einer chronischen Aspiration, einer Bindegewebserkrankung oder nach gewissen Drogen ausgelöst werden.

Die Krankheitsursachen sind wichtig, um den Untersucher zur richtigen Diagnose zu führen, wenn sich der Patient mit beschleunigter Atmung, pfeifenden Atemgeräuschen und reduzierter Belastbarkeit vorstellt und können somit zur klinischen Klassifizierung genutzt werden. So werden die meisten Fälle in eine PiBO oder ein BOS eingeteilt.

Klinischer Verlauf

Die Diagnose einer BO wird oft erst spät gestellt, zum einen da sich die anfängliche Präsentation mit viel häufigeren Atemwegserkrankungen überschneidet und zum anderen, weil die BO viele unterschiedliche zugrundeliegende Ursachen haben kann.  So kommt es durchaus vor, dass zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits eine fortgeschrittene und irreparable fibrotische Veränderung mit einer Verengung der kleinen Atemwege besteht. Zur späten Diagnosestellung kommt erschwerend hinzu, dass das Muster der Krankheitsentwicklung und des Verlaufes noch nicht genau definiert sind und somit eine angebrachte Therapie auch nicht etabliert werden konnte.

Während des Workshops wurde ersichtlich, dass es drei Muster gibt, in die sich die Erkrankung klinisch entwickeln kann: (a) mit einem nicht wahrnehmbaren Beginn und einer langsamen aber zunehmenden Verschlechterung, (b) einer initial schnellen Verschlechterung gefolgt von einem stabilen Zustand, (c) einer rapide zunehmenden Verschlechterung.

Diagnostisches Prozedere

Die Diagnose der BO beruht auf den folgenden drei Pfeilern:

1.     Klinische Untersuchung

Bei der klinischen Untersuchung berichten Patienten mit BO klassischerweise von einer beschleunigten Atmung, Husten, pfeifenden Atemgeräuschen, schnelleren Erschöpfung und einer erniedrigten Belastbarkeit. Manche Patienten erzählen von einer schweren Bronchiolitis oder einer Lungenentzündung in den vergangenen Monaten, bei der es zu einer anhaltenden Sauerstoffunterversorgung von mindestens sechs Wochen kam. Andere Patienten erzählen wiederrum von einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung im Rahmen einer Knochenmarkstransplantation.

Bei der körperlichen Untersuchung finden sich lediglich unspezifische Zeichen wie z.B. pfeifende und knisternde Atemgeräusche oder eine Überblähung der Lunge.

2.     Lungenfunktionstest

Die Spirometrie als klassische Lungenfunktionsmessung spürt insbesondere die Verengung bei Atemwegserkrankungen der großen Atemwege auf. Bei Erkrankungen der kleinen Atemwege, wie es bei der BO der Fall ist, ist diese Methode unsensibel und die Messungen können im Frühstadium der Erkrankung durchaus normal sein.

Lungenfunktionsuntersuchungen bei Patienten mit BO zeigen im Verlauf ein typisches Muster. Die Spirometrie zeigt eine obstruktive Fluss-Volumen Kurve mit einer verringerten Ein-Sekundenkapazität (FEV1), einem reduzierten Tiffeneau Index, der Messung der Ein-Sekundenkapazität in Beziehung zur Vitalkapazität (FEV1/VC) und einem reduzierten end-exspiratorischem Fluss (MEF25). Im Rahmen der Bodyplethysmographie zeigt sich eine Überblähung mit einem erhöhten Residualvolumen (RV) und einer erhöhten funktionelle Residualkapazität (RV/TLC). Dabei tendieren Patienten mit einer post-infektiösen BO zu einer weniger stark ausgeprägten pulmonalen Einschränkung als BO Patienten nach einer Knochenmarks- bzw. Lungentransplantation.

Da die klassische Lungenfunktion primär die Obstruktion in den großen Atemwegen misst, wurden in den letzten Jahren neue Techniken und Methoden etabliert, die als sensible Parameter frühe Veränderungen in den kleinen Atemwegen erfassen können. Zu diesen neuen Methoden gehört die „Gasauswaschmethode“ (nitrogen multiple breath washout: N2-MBW), die sich im klinischen Alltag für die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen eignet und ein sensitives Instrument zur Messung einer frühen Beeinträchtigung der kleinen Atemwege bei chronischen Lungenerkrankungen ist. Durch die Methode des MBW wird ein Index-Wert (lung clearance index: LCI) ermittelt. Es werden verschiedene Lungenfunktionsparameter und Belüftungsungleichheiten berücksichtigt, mit dessen Hilfe sich frühe Veränderungen in den kindlichen Atemwegen besonders sensitiv erfassen lassen. Im Rahmen von Studien bei verschiedenen chronischen Lungenerkrankungen konnte gezeigt werden, dass der LCI bereits bei einer Mehrheit der Patienten auffällig war obwohl die Werte der klassischen Lungenfunktion noch im Normbereich lagen. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Kombination der verschiedenen Lungenfunktionsmessungen und eine Erfassung aller Lungenfunktionsparameter die bestmögliche Beurteilung des Krankheitsbildes BO sowie dessen Verlaufes bieten. Weitere Studien werden zeigen, ob die MBW Methode als Marker genutzt werden kann, um eine BO frühzeitig zu erkennen und deren Verlauf und therapeutische Maßnahmen zu beurteilen.

 

3.     Radiologie

Bildgebende Verfahren wie die Computertomographie (CT) der Lunge zeigen im Rahmen der BO bestimmte Veränderungen. Durch die Entzündung der kleinen Atemwege wird die Atemluft ventilartig zurückgehalten und die betroffenen Lungenpartien verdichten sich weniger als die gesunden Anteile. Diese Dichtedifferenz des Lungenparenchyms zwischen in- und exspiratorischer Computertomographie wird auch als „air trapping“ bezeichnet. Das Nebeneinander solcher betroffenen und gesunden Gebiete führen zu einem klassischen sogenannten „Mosaikmuster“, welches wiederrum durch eine reflektorische, durch einen verminderten Gasaustausch hervorgerufene Gefäßverengung in den betroffenen Gebieten verstärkt wird.

Bei der Befundung eines CT‘s der Lunge bei einem Patienten mit Verdacht auf BO findet man typischerweise folgende Fachbegriffe: eine alveoläre Hyperinflation mit Mosaikmuster durch „air trapping“, hypoxische Vasokonstriktion (Gefäßrarifizierungen) und keilförmige Milchglastrübungen („ground glass attenuation“) durch Subsegmentalatelektasen. Des Weiteren lassen sich manchmal erweiterte Bronchien sowie kleine runde Zysten mit verdickter Wand finden, die durch den Ventilmechanismus durch das Zurückhalten der Atemluft in den verengten kleinen Atemwegen entstehen.

Es gilt eine Anzahl von Entscheidungen zu treffen, um die geeignete CT Technik zu wählen. Radiologische Studien bei Erwachsenen haben gezeigt, dass durch die Kombination eines CTs in Ein- sowohl auch Ausatmung die Aussagekraft und die Empfindlichkeit der Bildgebung deutlich gesteigert ist und auch milde Erkrankungsfälle häufiger diagnostiziert werden. Um auch bei kleinen Kindern unter 6 Jahren aussagekräftige und übereinstimmende Bilder zu erhalten bedarf es für diese Technik eine Narkose. Generell ist es immer schon schwierig, ein CT bei jungen Kindern durchzuführen. Während sich Säuglinge gut eingewickelt nach der Fütterung im Schlaf untersuchen lassen („feed and wrap“) erfordert es bei Kindern zwischen 3 Monaten und 4-6 Jahren generell eine Vollnarkose, um ein CT der Lunge durchführen zu können. Durch die Einführung moderner CT-Geräte in spezialisierten Zentren kann eine sehr schnelle Diagnostik in bis zu 0.3 Sekunden durchgeführt werden. Dadurch können Artefakte durch Bewegung und Atmung so gut wie ausgeschlossen werden und eine Narkose für Kinder im Alter von 1-6 Jahren wird immer seltener nötig. In der Regel bedarf es zur initialen radiologischen Diagnostik keines intravenösen Kontrastmittels. Allerdings kann bei eine zusätzliche CT Bildgebung mit Hilfe von Kontrastmittel erforderlich werden, wenn im Rahmen eines schweren Erkrankungsverlaufes der BO weitere Komplikationen wie z.B. eine arterielle Hypertonie ausgeschlossen werden müssen. Um auch die Strahlenbelastung im Rahmen der CT- Untersuchung maximal zu reduzieren gibt es inzwischen neuere Techniken, die nicht mehr an Sensitivität und Präzision einbüßen. Die Strahlenbelastung ist dank moderner, innovativer Geräte signifikant gesunken und wo vor Jahren noch eine Bestrahlung von 10mSv nötig war, bedarf es heutzutage einer Bestrahlung von weit unter 1mSV. Zum Vergleich, die natürliche jährliche Strahlenexposition in Deutschland beträgt durchschnittlich 2.1mSV und in Großbritannien z.B. 2.7mSv. Das konkrete gesundheitliche Risiko der zusätzlichen wenn auch recht geringen Strahlenexposition durch die CT-Untersuchung ist nicht genau bekannt, aber im Vergleich zum allgemeinen Risiko sehr gering.

Als potentielle diagnostische Alternativen zum CT werden verschiedene Formen der Magnetresonanztomographie (MRT) in Betracht gezogen. Allerdings müssen diese Techniken im Rahmen der BO erst noch systematisch getestet und etabliert werden. Somit spielt das CT zusammen mit dem klinischen Erkrankungsbild eine zentrale Rolle bei der Diagnosestellung einer BO im Kindes- und Jugendalter. In wieweit radiologische Bildgebungen insbesondere das CT genutzt werden können, um bereits während akuter Infektionen wie z.B. einer Lungenentzündung mit Adenoviren zwischen einem unkomplizierten und komplizierten Verlauf, der zu einer BO führen kann, unterscheiden zu können, muss weiterhin wissenschaftlich untersucht werden.

4.     Histopathologie

Lungenbiopsien wurden lange Zeit als Goldstandard zur Diagnosestellung einer BO erachtet. Diese Gewebeproben aus der Lunge von Patienten mit BO zeigen klassische Merkmale einer fortschreitenden Entzündungsreaktion mit Gewebeumbau, Vernarbungen sowie Verengungen der kleinen Atemwege. Da dieser fortschreitende Entzündungsprozess unter den jeweiligen Patienten sehr unterschiedlich ausfällt und die verschiedenen Lungenareale sehr ungleichmäßig betroffen sind, kann es bei den Untersuchungen der Gewebeproben zu fehlerhaften Interpretationen kommen. In dieser Hinsicht sollten zu einer einwandfreien Diagnosestellung die klinischen, radiologischen und histopathologischen Befunde gemeinsam einbezogen werden. Durch die Entwicklung neuer Techniken im Bereich der Radiologie und Lungenfunktion sowie eine zunehmende klinische Erfahrung im Bereich der BO kann mittlerweile in manchen Fällen auf eine Biopsie verzichtet werden.

Behandlungsmöglichkeiten

Die Diagnose PiBO ist relativ selten, so dass die gängigen Behandlungsoptionen meist aus Erfahrungen mit Patienten herrühren, die an einem BOS nach einer Lungen- oder einer Knochenmarks- bzw. Stammzelltransplantation erkrankt sind. Derzeit gibt es keine allgemein gültigen Therapieempfehlungen. Es gibt nur wenige randomisierte, Plazebo-kontrollierte Studien im Bereich der BOS Forschung. Die meisten Berichte über Therapieoptionen sind aufgrund der geringen Anzahl von Patienten, dem Mangel an vergleichbaren Kontrollen und der Vielfältigkeit der betroffenen Patienten nicht ausreichend aussagekräftig. Dennoch ist man sich allgemein einig, dass neben einer bestmöglich unterstützenden Therapie in erster Linie eine anti-entzündliche Therapie durchgeführt werden sollte, denn die anhaltende Entzündung spielt eine ausschlaggebende Rolle in der Krankheitsentstehung der BO. Darüber hinaus wird empfohlen, vor einer anti-entzündlichen Therapie eine umfangreiche Diagnostik inklusive einer Bronchoskopie und einer broncho-alveolären Lavage (BAL) durchzuführen, um Infektionen durch Viren, Bakterien oder Pilze auszuschließen.

Je nach aktuellem Erkrankungsstand werden folgende unterstützende Maßnahmen empfohlen: Impfung (Influenza, Grippe), Physiotherapie und bedarfsabhängig Klärung der Atemwege mit hypertoner Kochsalzlösung, Ernährungsberatung, ggf. Sauerstoff, Rehabilitation und Verzicht auf schädliche Noxe wie Nikotin.

Zu den aktuellen anti-entzündlichen Therapieoptionen gehören folgende Medikamente:

1.     Systemische Kortikosteroide

Abhängig vom klinischen Verlauf wurden in der Vergangenheit hauptsächlich systemische Steroide eingesetzt, was allerdings zu starken Nebenwirkungen wie z.B. Knochenbrüche oder schweren Infektionen geführt hat. Um die Nebenwirkungen bestmöglich zu reduzieren sollten die Gabe von Kortikosteroiden gepulst werden, das bedeutet, man behandelt für wenige Tage in 3-6 Zyklen und vermeidet somit die tägliche Einnahme über eine längere Zeit. Verschiedene Erfahrungsberichte haben gezeigt, dass die zusätzliche Gabe von Immunglobulinen während der Steroidpulse die Infektanfälligkeit unterbindet. Allerdings liegen dazu keine publizierten Daten vor. Kortikosteroide sind in einer akuten Verschlechterung im Krankheitsverlauf einer BO und bei einer akuten Abstoßungsreaktion im Rahmen einer Transplantation (acute graft versus host disease, GvHD) sehr effektiv, um Nebenwirkungen zu vermeiden, sollte für eine Langzeit-Behandlung eine Therapie ohne Kortikosteroide durchgeführt werden.

2.     Azithromycin

In verschiedenen Untersuchungen wurde gezeigt, dass Azithromycin gerade die neutrophilen Entzündungszellen, die im Rahmen der BO vorrangig aktiv sind, effektiv kontrolliert und somit den Entzündungsprozess ausbremsen kann. Wie genau Azithromycin wirkt und durch welchen Mechanismus es den Entzündungsprozess reguliert und vermindert, ist noch weitestgehend unbekannt. Ein positiver Effekt wurde aber auch im Rahmen von anderen Lungenerkrankungen beschrieben. Dabei hat sich die sehr gut verträgliche Gabe von Azithromycin dreimal wöchentlich auch als Langzeit Behandlung bewährt.

3.     Fluticasone, Azithromycin and Montelukast (FAM)

In verschiedenen Studien wurde beschrieben, dass eine Kombination mit inhalativem Fluticasone und oralem Azithromycin und Montelukast (FAM) eine effektive, gut tolerierbare und sichere Therapie bei Patienten mit BO bzw. BOS darstellt. Vor kurzem konnte in einer weiteren Studie gezeigt werden, dass eine Kombinationstherapie mit FAM und eine Kortikoid Pulstherapie einen positiven Effekt während der akut aufflammenden Phase eines BOS bei mehreren Patienten hatte und dadurch die pulmonale Verschlechterung aufhalten könnte.

4.     Bronchienerweiternde Therapie

Die chronische Obstruktion der Atemwege und Lungenüberblähung spielen eine weitere wesentliche Rolle in der Pathophysiologie der BO. Die eingeatmete Luft wird nicht vollständig ausgeatmet. Allerdings reagieren viele BO Patienten nicht positiv auf bronchienerweiternde Medikamente (Bronchodilatation). Dennoch sollte ein Therapieversuch mit einem Bronchodilatator in Betracht gezogen werden, da neuere Präparate wie z.B. Tiotropiumbromid einen positiven Effekt und somit eine verbesserte Lungenfunktion gezeigt haben.

5.     Potentielle zukünftige Therapieoptionen

Es gibt neue wissenschaftliche Projekte, die weitere Therapieoptionen erforschen. All diese neuen Therapieformen sind noch in der Anfangsphase ihrer Entwicklung und sehr komplex. Um deren Nutzen und Risiken für die betroffenen Patienten zu eruieren, sind aber noch weitere präklinische und klinische Studien notwendig.

 

Neue Forschungsfelder

Im Rahmen des Workshops wurden von den anwesenden Experten interessante und vielversprechende Projekte im Bereich der klinischen wie auch zellulären und immunologischen BO Forschung vorgestellt. Durch neue Techniken entstehen immer mehr Möglichkeiten, die Krankheitsentstehung und Entwicklung in den verschiedenen Bereichen intensiver zu erforschen. Diesbezüglich wurden insbesondere folgende drei Projekte beleuchtet.

1.     Genregulation durch MicroRNA

MicroRNAs (miRNA) spielen eine wichtige Rolle im komplexen Netzwerk der Genregulation und regulieren die Genexpression auf der post-transkriptionalen Ebene. Sie sind bereits mit der Entstehung einer Vielzahl respiratorischer Erkrankungen in Verbindung gebracht worden. Aktuelle Projekte untersuchen die genaue Rolle der miRNA bei der Regulierung von Entzündungsprozesses und Vernarbungen im Rahmen der BO. Darüber hinaus wird deren Potential als Biomarker und Basis zur Entwicklung neuer Therapieoptionen erforscht.

2.     Prognostizierende Biomarker

Bei der Entstehung einer BO wirken insbesondere drei Faktoren wesentlich mit. Zum einen die speziellen Krankheitserreger, zum anderen die Entzündungsmediatoren (IL-6, IL-8, and TNF-a) sowie der eigentliche Pathomechanismus der BO. Es wäre somit zu einfach davon auszugehen, dass es nur das eine ausschlaggebende Molekül bzw. den einen Mechanismus gibt, der die BO auslöst. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen sind erforderlich, um besser zu verstehen, welchen Einfluss die verschiedenen Entzündungsmediatoren im Rahmen der Entstehung und des fortlaufenden Prozesses bei der BO haben. Darüber hinaus wird untersucht, inwieweit diese speziellen Entzündungsmediatoren auch als Biomarker für die BO dienen können.

3.     Mikrobiom

Das Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller den Menschen besiedelnden Mikroorganismen. In den letzten Jahren hat die Forschung im Bereich der Mikrobiome allgemein sowie auch der speziellen Mikrobiome in der Lunge deutlich zugenommen. Untersuchungen haben gezeigt, dass bestimmte Mikrobiome wichtige Rollen bei der Entwicklung eines gesunden Immunsystems spielen und ein mikrobielles Ungleichgewicht zu einer chronischen Entzündungsreaktion beitragen kann. Weitere Forschungsprojekte untersuchen, inwieweit Mikrobiome und spezielle bakterielle und virale Infektionen einen Einfluss auf den anhaltenden Entzündungsprozess in der BO haben können.

4.     Ernährung und Entzündung

Es konnte bereits nachgewiesen werden, dass es besonders in Bezug auf den Fettstoffwechsel und der Aufnahme freier Sauerstoffradikale eine Verbindung zwischen Entzündungsprozessen und Ernährungsgewohnheiten gibt. Neue Forschungsprojekte im Bereich der BO beschäftigen sich mit der Frage inwieweit bestimmte Ernährungsgewohnheiten einen Einfluss auf die Entzündungsprozesse haben und somit den klinischen Verlauf positiv beeinflussen könnten. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Einnahme von Omega 3 Fettsäuren, Vitamin C und E sowie Lebensmittel mit hoher antioxidativer Kapazität geworfen.

Zusammenfassung

Die Bronchiolitis obliterans (BO) bei Kindern und Jugendlichen ist eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung, die sich nach einer Vielzahl von Vorerkrankungen oder nach einer Knochenmarks- oder Lungentransplantation entwickeln kann.  Die Diagnose BO wird in Kombination von klinischen, radiologischen sowie Lungenfunktions- und Laborparametern gestellt. Allerdings gibt es in Hinblick auf den Krankheitsverlauf und dessen Ausgang erhebliche Unterschiede. Während manche Patienten akut schwer erkranken und ausgeprägte strukturelle und funktionelle Einschränkungen erleben, nehmen andere Patienten die Erkrankung nur sehr schleichend wahr und fühlen sich kaum eingeschränkt.

Weitere multizentrische, prospektive Studien sind notwendig, um die Komplexität dieser Erkrankung zu verstehen und mögliche Risikofaktoren zu erkennen. Ein weiterer Schwerpunkt sollte auf die Entwicklung spezifischer diagnostischer Marker und letztendlich auf die Entwicklung individueller, bedarfsgerechter Therapien gesetzt werden.